Im traurigen Monat November wars
die Tage wurden trüber
der Wind riß von den Bäumen das Laub
da reist ich nach Deutschland hinüber...
genauer gesagt, zum Tollenort.
Vom Nieselregen, den tief hängenden Wolken, den
unangenehmen Windböen bekam ich nichts mit.
Zunächst. Weiß der Teufel, wie ich in
diesen dunklen Käfig geraten war.
Naja, gesprungen bin ich freiwillig, und zwar wegen des Geruchs. Vakuumverpacktes Rinderfilet aus Argentinien.
Bzw. nicht komplett vakuumverpackt. Klar, dass ich auch noch meine drei Kleinen nachgeholt habe - man will doch immer das Beste. Im Nachhinein... tja, über morgen kann ich bis heute nichts
Verlässliches sagen - das ist die Zukunft.
Hauptsache, gut gegessen, das war immer meine Devise.
Nach dem Schläfchen war die Klappe plötzlich zu - Dunkelheit.
Ein Riesenkrach.
Und später dann das Geschaukel. Kalt. Es wurde immer kälter.
Wir rückten eng zusammen, die Kleinen hörten irgendwann auf,
zu wimmern, und ich hatte keine Kraft zum Heulen mehr. Offensichtlich bewegten wir uns. Ewig.
Mindestens einen Tag lang.
Plötzlich Schluss mit dem Auf und Ab, dafür wieder Lärm - dann schwebten wir auf einmal nach oben. Meine letzte Kraft
nahm ich zusammen und heulte und bellte wie noch nie -
bis sich mit einem kreischenden Geräusch, das ich bis heute nicht vergessen habe, die Käfigtür öffnet, in der ein bärtiges Maul erscheint, das etwas ähnliches wie „dunnerlüttchenwatisdat...“ äußert.
Der Rest ist mir wohl entgangen, weil ich wie ein Blitz, also so schnell, wie meine eingefrorenen Knochen erlaubten,
an ihm vorbeigesprungen bin und ab zur nächsten Pfütze.
Herrlich, und dann diese tiefhängenden Wolken und der Nieselregen, ganz genau wie zu Hause.
So, und nu leven wi hier, schon mit meinen Urenkeln, und mit Fug und Recht vermag ich zu behaupten: ick heff hier det regeer.
Klor, kleinere Umgewöhnungen am Anfang.
Tohuus legten wir ja nun äußersten Wert auf ein gepflegtes Oxford,
aber dieses BSE (bad simply english), wie die ihr Platt nennen,
war uns sofort verständlich. Hat ja auch seine Reize.
Die Kleinen wurden gut untergebracht, die Enkel und Urenkel kommen ab und an zu Besuch, und ich residiere hier auf dem Kleinen Grasbrook.
Very traditional - und eingedenk eigener Erfahrungen - bin ich natürlich Fan der guten alten Stückgutzeit und lasse mir gern alte Schnurren erzählen, wie z.B. von Teddy Thälmann, der Säcke für zwei schulterte, damit sein etwas schmächtigerer Kollege ihm währenddessen aus dem ‘Kapital’ vorlesen konnte.
Aber, psychologisch verständlich, kam ich von den ‘Containern’
nicht mehr los, sie begannen immer stärker, und dies nicht nur aus
biographischen Gründen, eine Faszination auf mich auszuüben.
Haben sie die Schiffe zu Schuhkartons gemacht?
Könnten wir ohne sie wir heute T-Shirts, Jeans und Samsungs
so billig kaufen?
Sind sie schuld an Deindustrialisierung hier und Ausbeutung dort?
Oder ist Warentransport bald wieder von gestern?
Sind sie für die globale Warenwelt das, was Malewitschs
‘Schwarzes Quadrat’ für die Kunstwelt darstellte?
Haben sie nicht ihren eigenen ästhetischen Reiz - Symmetrie und Farbe?
Ist es nicht ein herrlicher Gegensatz, wie begrenzte, völlig gleichgeartete, rechteckige Gegenstände über eine unendliche,
sich bewegende und ständig verändernde Fläche transportiert werden - das Meer?
Sind sie geheimnisvoll und gar unheimlich, weil niemand weiß,
was sich darinnen befindet - oder vielversprechend und verlockend:
wie die Wundertüte aus Kindheitstagen?
Viele Fragen, die eine alte Airedale-Terrierin nicht zu beantworten vermag.
Eure Rosja,
die in einem Container nach Hamburg verschlagen wurde.