Krieg und Frieden - ein Hundeleben

 

'Hundstage' von Carin Müller

 

Wie in Tostois Roman dreht sich für Tobi, den dreijährigen Airedale Rüden, alles um Sex...

Bis am Ende am Horizont die große Liebe aufscheint, er- und durchlebt Tobi, wie Tolstois Pierre Besuchow, alle Zustände, Krisen, Abgründe und Lichtblicke eines hündischen (und menschlichen) Lebens: Intrigen & Kampf, Eifersucht & Leidenschaft, Hunger & Knast, Verluste & Freundschaften.

 

Tobi inszeniert ein Bunny-Gate, muss orkanartige Windbeutel über sich ergehen lassen und klärt clever - auch ohne Semmel - einen Fischmord auf: Kommissar Rex wäre neidisch.

Man versucht Tobi zu erziehen und zu bestechen. Er gerät an rassige Schlampen - und nichtrassige. Er wird ignoriert und verkannt und sitzt zwischen allen Fronten: und da hat es unser Hundeheld (wie sein Vorbild) nicht ganz leicht, sich mit seiner mäßigen Intelligenz, oder sagen wir besser: seiner Unerfahrenheit, Schläfrigkeit und pubertären (oder männlichen?) Lebensuntauglichkeit herauszuwinden und zu behaupten.

Wie Tolstois Pierre errettet letzlich auch Tobi sein goldenes Herz. Obwohl auf ihre Ratschläge nicht unbedingt Verlaß ist, findet er Trost bei seinen Freunden (und Freundinnen!): einem altersmüden Macho-Boxer (für den ein Hundesalon nur was für schwule Tucken ist), der intriganten, nymphoma- nischen Goldfisch-Königin Cleopatra und der russischen Nerz-Migrantin und alten Jungfer Anastasia.

 

Wir lernen die Hunde des Viertels kennen: z.B. den Chihuahua eines

Türstehers, zwei Jack-Russell-Outlaws, den tumben Sex-Protz und Möchte-gern-Fernsehstar, einen Einwanderer aus Afrika, dem die deutsche Bürokratie außerordentlich gut gefällt.

Darüber hinaus begegnet Tobi einer ganzen Menagerie: Kühen, Hühnern, Spatzen, einer alleinerziehenden Entenmutter mit sieben Küken, Trüffelhunden, einem Öko-Marder, Wildschweinen, Hirschen, Hasen sowie, schenken wir ihm Glauben, sogar Wölfen, Drachen und Monstern.

 

Wie Tolstoi seinen Napoleon, bietet auch unsere Autorin einen Bösewicht - Napolitano, und zeichnet alle anderen Figuren mit viel Verständnis und Empathie. Ironie war allerdings nicht die Sache des großen Russen, umso mehr freut sich die Leserin, dass Frau Müller hier brilliert.

Ein Happy-End gibt es nicht, wie wir alle wissen, deswegen wird es in 'Hundstage' auch nur angedeutet, wahrscheinlich um den schalen Geschmack am Ende von 'Krieg und Frieden' zu vermeiden. Gar kein Happy-End gibts für die Tiere in dem italienischen Hunde-Guantanamo. Auch wenn ein Trüffel und

Frau Viola Hagenstett irgendwie verloren gehen: Hundstage ist eine rasant komponierte Geschichte und Komödie mit teilweise irrwitzigem Tempo.

 

Eine Frage bleibt allerdings, nicht nur für Tobi: Soll man Befehlen folgen, die sinnlos sind? Nun, Hund muss tun, was er tun muss. Im nächsten Leben werden sowieso alle Hundebesitzer Tierarzt.